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Vive la Résistance in Afghanistan?

KABUL, März/April 2022

Nach dem Sturz der afghanischen Republik durch die Taliban im August 2021, haben mehrere afghanische Gruppen bewaffneten Widerstand gegen das neue Taliban Emirat angekündigt. Das Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) nimmt solche Widerstandsgruppen unter die Lupe und zeigt, dass, obwohl vieles Propaganda ist, einige Gruppen die Taliban tatsächlich attackieren, in voraussehbarer Zukunft jedoch wohl keine existenzielle Bedrohung für das Taliban-Regime darstellen.

Afghanen die für die gegen die Taliban gerichtete Nationale Widerstandsfront kämpfen (Datum und Ort unbekannt; am 14. Januar 2022 auf Twitter geteilt)

«Der Widerstand der Mudschahedin gegen die Taliban beginnt jetzt»

In der ersten Augusthälfte 2021 überrannten die islamistischen Taliban eine afghanische Provinz nach der anderen und marschierten am 15. August 2021 schliesslich in der Hauptstadt Kabul ein. Letzteres geschah kurz nachdem der damalige afghanische Präsident Aschraf Ghani und andere hochrangige Beamte aus dem Land am Hindukusch geflohen und die afghanischen republikanischen Streit- und Sicherheitskräfte zusammengebrochen waren. Die einzige Provinz, die nicht wie ein Dominostein fiel, war Panschschir, ein bergiger Rückzugsort, welcher unter anderem als Zentrum des Widerstands gegen das erste Taliban Emirat vor der U.S.-geführten Intervention im Herbst 2001 Berühmtheit erlangte.

 

Aus Panschschir und nur wenige Tage nachdem die Taliban den Präsidentenpalast in Kabul betraten, schrieb Ahmad Massoud, der Anführer der damals angekündigten Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, dass «der Widerstand der Mudschahedin [Gotteskrieger] gegen die Taliban jetzt beginnt». Ahmad Massoud schrieb weiter, dass er «bereit ist, in die Fussstapfen seines Vaters zu treten», Ahmad Shah Massoud, der den Widerstand gegen das erste Taliban Emirat anführte und damals Panschschir und anderen nordöstlichen Provinzen verteidigte und so die Taliban daran hinderte, ganz Afghanistan zu übernehmen.

Ahmad Massoud, Anführer der gegen die Taliban gerichteten National Widerstandsfront (Quelle: Webseite der National Widerstandsfront)

Dieses Mal war Panschschir jedoch von Gebieten umgegeben, die von den Taliban eingenommene worden waren, und am 6. September 2021, drei Wochen nach dem Fall von Kabul, erklärten die Taliban, auch Panschschir erobert zu haben. Berichten zufolge flohen Ahmad Massoud und andere Anführer der Nationalen Widerstandsfront aus Afghanistan. Während die Front Letzteres bestritt und versprach, ihren bewaffneten Kampf weiterzuführen, fanden Reporter der New York Times anlässlich eine Besuches von Panschschir Mitte September 2021 «wenige Zeichen eines aktiven Widerstands oder überhaupt von einem Kampf». Vieles schlossen daraus, dass der Widerstand vorüber war bevor er richtig begonnen hatte. Dies stellte sich jedoch als falsch heraus.

Die Nationale Widerstandsfront

Im Oktober 2021 wurden mehrere Videos publiziert, in denen maskierte Männer, die angaben in den afghanischen Provinzen Kapisa, Parwan, und Badakhshan, zu sein, ankündigten, der Nationalen Widerstandsfront beizutreten. Diese Videos konnten nicht unabhängig verifiziert werden. Einige wurden jedoch von Ali Maisam Nazary, them Verantwortlichen für ausländische Beziehungen der Nationale Widerstandsfront wieder getweeted.

Logo der Nationalen Widerstandsfront (Quelle: Webseite der Nationalen Widerstandsfront)

«Wir begannen in Panschschir und Andarab [ein Teil der benachbarten Provinz Baghlan], aber nun sind wir in mehr als 12 Provinzen in mehreren Teilen Afghanistans aktiv, inklusive in den meisten Städten und im Süden und Osten des Landes[, wo es keinen nennenswerten Widerstand gegen das erste Taliban Emirat gab]», sagte Nazary SIGA in einem Interview, dass am 29. März 2022 per WhatsApp durchgeführt wurde. Dass die Nationale Widerstandsfront tatsächlich in anderen Provinzen präsent ist, wurde bereits früher von den Taliban bestätigt, die sich im Dezember 2021 und Januar 2022 rühmten, Kämpfer der Nationalen Widerstandsfront in den nördlichen Provinzen Samangan und Balkh getötet zu haben.

 

Als ein Beispiel für die Aktivität der Front erwähnte Nazary ein Gefecht mit Taliban, welches früher am Tag des Interviews in Andarab stattgefunden hatte. Gemäss eines auf der offiziellen Webseite der Nationalen Widerstandsfront publizierten Artikels, begannen die Taliban in den ersten Stunden des 29. März 2022 eine Operationen in Teilen von Andarab, welche eine Konterattacke der Nationalen Widerstandsfront auslöste. In folgenden Scharmützeln, die mehrere Stunden andauerten und mit dem Rückzug der Taliban endeten, behauptete die Nationale Widerstandsfront 13 Taliban, inklusive einem Kommandanten, getötet sowie 17 weitere verwundet zu haben. Die Front räumte zudem ein, selber einen ihrer Kommandanten verloren zu haben. Dies, inklusive der ungefähren Anzahl Toter und Verwundeter, wurde von unabhängigen Quellen bestätigt, wobei ein Mitglied der Nationalen Widerstandsfront, der in Andarab stationiert ist, korrigierte, dass der Taliban-Kommandant, der angeblich getötet worden war, schwer verwundet überlebt haben soll.

 

«Wir haben andernorts auch offensive Guerrilla-Angriffe durchgeführt und machen dass weiter ungefähr einmal in der Woche, wobei wir einige, jedoch nicht alle dieser Attacken offiziell für uns beanspruchen», fügte Nazary hinzu. «Und in den kommenden Monaten, wird es zu mehr Bewegung und Aktionen [der Front] kommen», versprach er. Auf die bisher beschränkten Aktivitäten der Front angesprochen, erklärte Nazary, dass «der Beginn von Operationen vom Wetter abhängt», und dass immer noch kaltes Wetter und Schnee in den Hochburgen der Front bisher grösseren Operationen im Wege stehe. Im Einklang damit zeigt verfügbares Bildmaterial von Kämpfern der National Widerstandsfront diese in der Tat in bergigen Gebieten, aller Wahrscheinlichkeit nach in Panschschir, die derzeit immer noch eingeschneit sind. Dies gesagt, gab Nazary an, dass die Front «einige Tausend» bewaffnete Männer zähle; dies konnte nicht unabhängig bestätigt werden.

 

Was ebenfalls bemerkenswert ist, ist dass einige im Januar 2022 aufgetauchten Photos von Kämpfern der Nationale Widerstandsfront diese mit neuen russisch-gefertigten Waffen zeigen, die, soweit dies bestimmt werden konnte, kaum in Afghanistan erhältlich sind. Dies deutet darauf hin, dass die Nationale Widerstandsfront eine Quelle für Waffen ausserhalb von Afghanistan gefunden hat, die es der Front erlauben wird, ihren bewaffneten Kampf fortzuführen. Nazary gab keinen Kommentar zu diesem Sachverhalt ab.

Kämpfer der Nationalen Widerstandsfront, die offenbar neue russisch-gefertigte PG-7VR Projektile mit Tandem Ladungen haben, die auf eine auswärtige Quelle hinweisen (Datum und Ort nicht bekannt; am 14. Januar 2022 auf Twitter geteilt)

Andere Widerstandsgruppen

Während in der Berichterstattung über Widerstand die Nationale Widerstandsfront klar im Fokus steht, haben seit der Taliban-Machtübernahme eine ganze Reihe von andren Widerstandsgruppen ihre Existenz angekündigt. Diese Gruppen sind namentlich:

Oftmals kündigten diese Gruppen ihre Existenz in kurzen, auf sozialen Medien publizierten Videos an, wobei die teilweise dilettantische Art und Weise in dem diese Versprechen zu Widerstand vortrugen, glaubhafte Zweifel aufwarf, inwiefern solche Gruppen tatsächlich existieren. Dies ist umso mehr der Fall, als dass von mehreren Gruppen, namentlich von den Unbekannten Soldaten von Hazaristan, der Afghanischen Befreiungsfront, der Freiheits- und Demokratiefront und dem Freiheitscorps, nach deren Ankündigungen und soweit dies bestimmt werden konnte keinerlei nennenswerte Nachrichten mehr folgten.

Standbild eines amateurhaften Videos der Afghanischen Befreiungsfront (Quelle: Aamaj News, 4. Februar 2022)

Andere scheinen jedoch tatsächlich aktiv zu sein, auch wenn deren Kapazitäten und Beanspruchung von Anschlägen manchmal fraglich sind.

Die Islamische Nationale Befreiungsbewegung Afghanistans

Ein Beispiel für letzteres ist die Islamische Nationale Befreiungsbewegung Afghanistans welche ihre Existenz in einer 10 Minuten langen Audionachricht ankündigte, die am 18. Februar 2022 per e-Mail an Journalisten gesandt wurde. Der Anführer dieser Bewegung ist Abdul Matin Suleimankhel, ein Kommandant des vormaligen Corps für Spezialoperationen der afghanischen Nationalarmee, der einige Monate vor dem Fall der afghanischen Republik entlassen worden war.

Logo der Islamischen Nationalen Befreiungsbewegung (Quelle: e-Mail der Bewegung an den Autor)

Als Grund für die Ausrufung von Widerstand gab Suleimankhel gegenüber SIGA in einem WhatsApp-Telefonat am 15. März 2022 an, dass «die von den Taliban angekündigte Generalamnestie eine Lüge ist; die Taliban töten ehemalige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte im ganzen Land, sogar Leute die diese unterstützen. Das ist der Grund, weshalb wir uns auflehnen und verteidigen müssen.» Während zahlreiche Rachetötungen dokumentiert worden sind, gibt es derzeit keine klaren Indizien dafür, dass die Taliban ehemalige Regierungssoldaten systematisch im ganzen Land jagen würden. Darüber hinaus erwähnte Suleimankhel die allgemeine Unterdrückung der afghanischen Bevölkerung durch die Taliban sowie das Ziel seiner Bewegung, wieder eine demokratische Regierung in Afghanistan zu etablieren, als weitere Gründe für ihren Widerstand.

 

«Unsere Bewegung hat Tausende von Leuten, viele davon aus den ehemaligen afghanischen Sicherheitskräften, aber auch Zivilisten», führte er weiter aus. «Sogar einige Taliban haben sich uns angeschlossen, da diese sahen, dass ihre Anführer für Pakistan arbeiten», behauptete er.

 

«Wir sind in 26 [von Afghanistans 34] Provinzen aktiv», versicherte Suleimankhel SIGA. Während Suleimankhel hauptsächlich Provinzen im Süden und Osten des Landes erwähnte, die grossmehrheitlich von ethnischen Paschtunen bewohnt sind, insistierte er, dass seine Bewegung im ganzen Land, auch im Norden, wo Widerstand gegen die Taliban durch nicht-paschtunischen Ethnien historisch am stärksten war, präsent sei.

Standbild einer Video-Nachricht von Abdul Matin Suleimankhel, dem Anführer der Islamischen Nationalen Befreiungsbewegung (Quelle: YouTube, hochgeladen am 26. März 2022)

Dies ist jedoch fraglich, da die Gruppe im Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes nur eine Handvoll von Attacken für sich reklamiert hat, einige davon in zweifelhafter Weise. Spezifisch hat die Islamische Nationale Befreiungsbewegung die Verantwortung für Angriffe in den südlichen Provinzen Helmand und Kandahar, der südöstlichen Provinz Paktika, und der östlichen Provinz Nangarhar übernommen.

 

In einem fragwürdigen Beispiel hat die Bewegung am 15. März 2022 die Tötung von fünf Taliban, inklusive dem Kommandanten Qari Hafizullah, im Distrikt Ghani Khel in Nangahar für sich beansprucht und angegeben, dass dieser Anschlag in der Nacht vom 8. zum 9. März 2022 stattgefunden habe. Während drei unabhängige Quellen die Tötung von Hafizullah in Ghani Khel bestätigten, gaben alle an, dass die Täter Mitglieder des afghanische Ablegers des selbsternannten Islamischen Staates waren. Dies gesagt hat der selbsternannte Islamische Staat am 6. März 2022 in der Tat die Verantwortung für eine Attacke auf Taliban in Ghani Khel übernommen und den 5. März 2022 als Datum des fraglichen Hinterhaltes angegeben. Da dies offenbar der einzige solche Vorfall in Ghani Khel in diesem Zeitraum war, ist die diesbezügliche Behauptung der Islamischen Nationalen Befreiungsbewegung Afghanistans fragwürdig. Mit Obigem konfrontiert, erklärte Kholed Aziz, der Sprecher der Bewegung lediglich, dass die Bewegung die Angaben des selbsternannten Islamischen Staates zurückweist und insistierte weiter, dass sie die Attacke ausgeführt hätten.

 

Andere Beispiele sind jedoch glaubhaft. Eine Explosion die sich am 27. März 2022 in Lashkar Goh, dem Hauptort von Helmand, ereignete und für welche die Islamische Nationale Befreiungsbewegung Afghanistans die Verantwortung übernahm, ist offenbar wirklich der Gruppe zuzuschreiben. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass die Bewegung innerhalb einiger wenigen Stunden die Verantwortung übernahm, sondern auch weil eine unabhängige Quelle angab, dass Einwohner in Lashkar Goh dies bestätigten.

 

Angesichts des Gesagten scheint die Islamische Nationale Befreiungsbewegung Afghanistans im Stande zu sein, einige kleine Attacken in Afghanistan durchzuführen, selbst wenn ihre Kapazitäten wohl viel limitierter sind als was Suleimankhel behauptet. Letzterer räumte dies implizit ein, als er SIGA sagte, dass seine Bewegung genügend Männer habe, die zum Kampf bereit seien, es ihnen jedoch an finanziellen und anderen Mitteln mangeln würde.

Afghanische Freiheitsfront

Eine andere Gruppe, die offenbar auf dem Boden in Afghanistan existiert, ist die Afghanische Freiheitsfront, die ihre Gründung in einem auf den 11. März 2022 datierten Communiqué ankündigte. Besagtes Communiqué wurde auf den offiziellen Konten der Front auf Twitter und Facebook geteilt, via welche die Front nachfolgend auch mehrere Attacken für sich beanspruchte. Gemäss dem erwähnten Communiqué, erklärte die Afghanische Freiheitsfront ihren Widerstand gegen die Taliban aufgrund deren generellen Unterdrückung der afghanischen Bevölkerung, deren Verbindungen zu internationalen Terroristen, und aufgrund der Notwendigkeit der Wiederherstellung von Recht und Ordnung in Afghanistan.

Logo der Afghanischen Freiheitsfront (Quelle: offizielles Twitter-Konto der Front)

«Unsere Front ist in allen 34 Provinzen Afghanistans aktiv», sagte ein Anführer der Afghanischen Freiheitsfront SIGA in einem WhatsApp-Telefonat am 2. April 2022, wobei er bat, anonym zu bleiben. «An einigen Orten, verhindert das [immer noch anhaltende winterliche] Wetter Operationen und an anderen Orten sind wir bisher erst am Rekrutieren und Vorbereiten, führen jedoch noch keine Attacken durch», räumte er später jedoch ein.

 

Gemäss dem Twitter-Konto der Front, hat diese per 1. April 2022 Angriffe in sieben Provinzen verübt, namentlich Parwan, Kapisa, Baghlan, Takhar, Badakhshan, Sar-e Pul, und Kandahar. Obwohl die Afghanische Freiheitsfront regelmässig Videos der angeblichen Attacken publiziert, ist es — vor allem da die meisten Videos in der Dunkelheit der Nacht aufgenommen wurden und kaum etwas Erkennbares zeigen — schwierig, solche Behauptungen unabhängig zu verifizieren. Zumindest eine Attacke, nämlich das Beschiessen der Polizeistation in Takhars Distrikt Warsadsch am 23. März 2022, welche die Front für sich reklamierte, wurde jedoch von den Taliban bestätigt.

 

Nach der Stärke der Front gefragt, erklärte der erwähnten Anführer, dass er aufgrund operationeller Sicherheitsüberlegungen keine exakten Zahlen nennen könne, dass sie jedoch Tausende von bewaffneten Männern und Kapazitäten hätten, im Ganzen Land zu operieren. Er gab sodann weiter an, dass die Mehrheit der Generäle und anderer Offiziere der vormaligen republikanischen Sicherheitskräfte sich, genauso wie mehrere ehemalige Parlamentsmitglieder und Kabinettsminister der gestürzten Republik, seiner Front angeschlossen hätten.

 

Gemäss dem zitieren Anführer erhalte die Afghanische Freiheitsfront derzeit keine Hilfe von ausserhalb Afghanistan. «Wir brauchen keine [U.S.] B-52 Bomber, die Afghanistan bombardieren. Dies ist unser Land und es ist an uns zu kämpfen», sagte er. Später fügte er jedoch an, dass «wir Hilfe von der Welt brauchen, aber es muss legitime Anti-Terror-Unterstützung sein». In der Zwischenzeit kämpft die Front mit dem, was sie in Afghanistan hat. «Nach 40 Jahren Krieg gibt es eine Menge [Waffen und Munition] im Land, mit dem wir kämpfen können», führte er aus.

Keine geeinte Front

Während alle erwähnten Gruppen die selben oder ähnliche Ziele angeben und sagen, dass sie andere Gruppen, die die Taliban aus denselben Gründen bekämpfen wollen, willkommen heissen, gibt es, zumindest derzeit, keine signifikante Kooperation oder Koordination. «In Panschschir und Andarab, wo nicht nur unsere [Afghanische Freiheits-] Front präsent ist, sondern auch die Nationale Widerstandsfront, haben wir Verbindungen und koordinieren mit dieser», sagte der oben zitierte Mann SIGA. «In anderen Teilen des Landes gibt es nur unsere Front, aber keine andere Widerstandsgruppe; darum ist es nicht nötig zu koordinieren», fügte er an und widersprach damit den Behauptungen von weit verbreiteter Präsenz andere Gruppen.

 

Ersteres wurde jedoch explizit von Nazary bestritten, der SIGA sagte, dass «es in Panschschir und Andarab ausser der Nationalen Widerstandsfront keine andere Widerstandsgruppe gibt». Im Allgemeinen führte Nazary jedoch aus, dass die Nationale Widerstandsfront «in Kontakt mit einigen anderen Gruppen steht, deren Führung wir kennen; aber bisher bleiben wir separat.» In diesem Zusammenhang erklärte Nazary weiter, dass die National Widerstandsfront «betreffend der meisten anderen [Widerstands-]Gruppen und deren Führung keine Einzelheiten kennt, da viele dieser Gruppen in einem frühen Anfangsstadium sind».

 

Suleimankhel gab sodann an, dass seine Bewegung keinerlei Verbindungen oder Zusammenarbeit mit anderen Widerstandsgruppen habe.

 

Alles Gesagte ergibt ein Bild, in dem jede Widerstandsgruppe sich rühmt, die Schlagkräftigste zu sein und am meisten Mitglieder der Spezialeinheiten und regulären Sicherheitskräfte der ehemaligen afghanischen Republik absorbiert zu haben und sich dementsprechend als die natürliche Führung des anti-Taliban Widerstandes sieht, während jede Gruppe Angaben von anderen Gruppen bestreitet. Letzteres geht manchmal soweit, andere herabzusetzen oder zu verunglimpfen. Zum Beispiel nannte ein Mitglied einer Widerstandsgruppe, Mitglieder mehrere andere Gruppen Betrüger, die nur in irgendwelchen Räumen in- oder ausserhalb Afghanistans sitzen und Videos aufnehmen, aber nicht die Fähigkeit hätten irgendetwas zu machen. Und ein anderer setzte die Führer von anderen Widerstandsgruppen nicht nur als «nicht professionell», sondern einige als ausgemacht «schlecht» herab. All dies macht es zumindest derzeit unwahrscheinlich, dass existierende Widerstandsgruppen mit Kämpfern im Lande ihre Kapazitäten zusammenlegen, um eine ernstzunehmender Herausforderung für das Taliban-Regime darzustellen.

 

Angesichts des Obigen ist die wahrscheinlichste Schlussfolgerung daher, dass einige afghanische Widerstandsgruppen die Fähigkeit haben, die Taliban anzugreifen, und solche Attacken ausweiten werden oder dies bereits machen. Aufgrund des Fehlens eines klaren und gesicherten territorialen Rückzugsortes, der offenbar limitierten Anzahl Männer und Waffen, sowie dem Fehlen einer geeinten Front und scheinbaren Spannungen zwischen den einzelnen Gruppen, stellen diese derzeit jedoch keine existenzielle Bedrohung für das Taliban-Regime dar. Und dies wird sich in voraussehbarer Zukunft wohl auch nicht ändern.

 

Letzteres wurde vom interviewten Anführer der Afghanischen Freiheitsfront eingeräumt. «Es wäre falsch, wenn wir sagen würden, dass wir die Taliban morgen stürzen können. Unser Kampf wird ein langer sein und wahrscheinlich Jahre dauern», anerkannte er. «Wenn wir Unterstützung [von ausserhalb] erhalten, werden wir unsere Ziele vielleicht schneller erreichen, aber selbst dann würde es geraume Zeit beanspruchen.»

 

Während einige sagen, dass Leute wie die zitieren Männer und andere Widerstandskämpfer die Zeichen der Zeit, nämlich dass das Taliban-Regime an der Macht bleiben wird und dass der Widerstand eine verbrauchte und durch die Fehler der gestürzten Regierung befleckte Kraft sei, nicht erkennen, ist dies allenfalls kurzsichtig. Schliesslich wurde vor ungefähr zwei Jahrzehnten Ähnliches über die Taliban gesagt.

Franz J. Marty

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