· 

Erhöhter russisch-georgischer Handel: Sanktionsumgehung oder harmlose Änderung von Handelsströmen?

Juli 2024

Seit Russlands Grossinvasion der Ukraine im Februar 2022 und der nachfolgenden Verhängung von beispiellosen Sanktionen gegen Russland halten sich Berichte, wonach solche Sanktionen durch Georgien umgangen werden. Eine genauere Analyse von Handelsdaten und anderen detaillierten Informationen weisen jedoch darauf hin, dass oft zitierte Zunahmen von bilateralem Handel und Transit durch Georgien nach Russland mit harmlosen Entwicklungen erklärt werden können und dass, falls es zur Umgehung von Sanktionen kommen sollte, dies auf einem vernachlässigbar tiefen Niveau wäre.


In der Folge von Russlands Grossinvasion der Ukraine im Februar 2022 haben westliche Länder immer weitere, nie zuvor dagewesene Sanktionen gegen Russland verhängt, um damit zu versuchen, Russland von kritischer Versorgung abzukappen. Kurz darauf begannen zahlreiche Berichte anzugeben, dass die Zunahme von Handel zwischen Russland und gewissen Nachbarstaaten, inklusive der kleinen Kaukasusrepublik Georgien, ein Zeichen für die Umgehung von Sanktionen durch diese Länder sei. Westliche Beamte haben Georgien und eine Handvoll anderer Länder teilweise als speziell besorgniserregend ausgesondert.

Weder der Umstand, dass westliche Beamte, die direkt mit der Verhinderung von Sanktionsumgehung betraut sind, später solche Anschuldigungen gegen Georgien zurückgenommen hatten, noch die Versicherungen von georgischen Behörden, dass effektive Kontrollen bestünden, vermochte die Wiederholung obiger Behauptungen zu verhindern (siehe zum Beispiel hier und hier).

Eine genauere Untersuchung von Handelsdaten [1] und anderen detaillierten Informationen durch das Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) zeigt jedoch, dass solche fortbestehenden Anschuldigungen von Sanktionsumgehung durch Georgien regelmässig durch Sprünge zu zweifelhaften Schlussfolgerungen verursacht sind und angeblich verdächtige Änderungen in Handelsströmen mit einfacheren und harmlosen Erklärungen begründet werden können.

Georgischer Zollkontrollpunkt «Kazbegi» an der georgisch-russischen Grenze

(Quelle: Georgian Revenue Service)

Georgische Exporte nach Russland

Dies fängt teilweise bei sehr rudimentären Punkten an. So wird beispielsweise bereits oft die Erhöhung der totalen Handelsbilanz von Gütern zwischen Georgien und Russland (ungefähr +50% in 2022 und 2023 wenn verglichen mit 2021, dem Jahr vor Russlands Grossinvasion der Ukraine und der dadurch ausgelösten Flut von Sanktionen) als verdächtig angesehen. Dass Handelsdaten sofort zeigen, dass diese Zunahme fast ausschliesslich von erhöhten georgischen Importen aus Russland getrieben wurde und nicht von georgischen Exporten nach Russland, qualifiziert jedoch bereits signifikant die Vorstellung, dass Russland begonnen hat, massenhaft sanktioniert Güter von Georgien zu beziehen.

Spezifisch weisen offizielle georgische Statistiken aus, dass der Wert von allen georgischen Exporten nach Russland in 2022 und 2023 im Vergleich zu 2021 nur ungefähr 5.3% beziehungsweise 7.7% höher war. Die Bedeutung dieser Erhöhungen wird sodann weiter durch den Umstand relativiert, dass georgische Exporte nach Russland zwischen 2011 und 2019 (und mit der Ausnahme eines grossen Einbruches im Jahre 2015) deutlich grössere jährliche Zunahmen von zwischen 10% und 307(!)% verzeichnet hatten. Dementsprechend sind die jüngsten Zunahmen seit einem Einbruch im Jahre 2020, als die COVID-Pandemie den Handel auf der ganzen Welt negativ beeinflusst hatte, wenn überhaupt eher ernüchternd. Dies gesagt zeigen Zahlen vom ersten Quartal 2024 sogar, dass georgische Exporte nach Russland wieder abnehmen, namentlich ungefähr -9.1% im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahre 2023.

Betrachtet man die Art der Güter, die Georgien nach Russland exportiert, wird ebenfalls klar, dass fast alle solche Güter harmlos sind. Eine detaillierte Studie von Änderungen im georgisch-russischen Handel zwischen März 2022 und Februar 2023 (sprich den 12 Monaten nach Russlands Grossinvasion der Ukraine) legt dar, dass die Exporte von Georgien nach Russland, die signifikant gewachsen sind und den Löwenanteil aller Exporte ausmachen, fast ausschliesslich Nahrungsmittel und Getränke betreffen. Dies hat sich, gemäss SIGAs Überprüfung von Handelsdaten bis und mit Mai 2024, seither auch nicht geändert.[2]

Die einzige Kategorie von Gütern, die Georgien in hohen Mengen nach Russland exportiert und die theoretisch von Besorgnis sein könnten, sind Ferrolegierungen. Wie die genannte Studie und die Durchsicht von Handelsdaten für das volle Jahr 2023 und die ersten fünf Monate von 2024 jedoch zeigen, sind solche Exporte von Ferrolegierungen aus Georgien nach Russland seit Russlands Grossinvasion der Ukraine drastisch eingebrochen, was der Annahme eines boomenden Sanktionsumgehungsgeschäftes klar widerspricht.[3]

In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass die georgische Regierung zwar versprochen hat, die Umgehung von westlichen Sanktionen durch Georgien zu verhindern, jedoch keine bilateralen Sanktionen gegen Russland verhängt hat, da dies der georgischen Wirtschaft mehr schaden würde als der russischen. Als solches ist der Export von georgischen Gütern so oder so nicht von Sanktionen betroffen.

Dies bedeutet nicht, dass alle aus Georgien nach Russland exportierten Güter komplett harmlos sind und die Liste von georgischen Exporten nach Russland enthält in der Tat gewisse sogenannte dual-use Güter (sprich Güter, die für zivile Zwecke gedacht sind, jedoch auch militärisch verwendet werden können), namentlich gewisse mechanische und elektronische Komponenten. Die genannte Studie und seither veröffentliche Handelsdaten zeigen jedoch, dass die Menge und der Wert solcher Güter so tief ist, dass dies, selbst wenn solche Güter für militärische und nicht zivile Zwecke verwendet werden sollten, existierende Sanktionen nicht relevant zu untergraben vermögen würde.

Dies gesagt wurde verschiedentlich auch die Besorgnis kundgetan, dass Firmen oder Personen in Georgien westliche Güter, die unter Sanktionen fallen, nach Georgien importieren und diese dann erneut aus Georgien nach Russland exportieren, um so Sanktionen zu umgehen. Eine Überprüfung von Daten zeigt jedoch auch hier keine relevanten Verdachtsmomente.

So kam es zum Beispiel zu Anschuldigungen, dass ein steigender georgischer Import von elektronischen Schaltkreisen und Microchips aus den Vereinigten Staaten von Amerika darauf hindeuten würden, dass solche Komponenten sodann unter Umgehung von Sanktionen aus Georgien nach Russland exportiert würden. Eine genauere Untersuchung von Handelsdaten gab jedoch Aufschluss, dass der kürzliche Anstieg von georgischen Importen von solchen Schaltkreisen und Chips aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer verzögerten Erholung auf das Niveau solcher georgischen Importe vor der Pandemie zurückzuführen ist.

Das Beispiel von Re-Exporten von Autos aus Georgien weist sodann weiter daraufhin, dass Georgien in der Tat sicherstellt, dass westliche Sanktionen nicht durch Georgien umgangen werden. Während der Wiederexport von Autos aus Georgien nach Russland ein sehr grosses Geschäft war, führte die Ausweitung von EU- und U.S.-Sanktionen betreffend des Exports von EU- und U.S.-produzierten Autos nach Russland, die seit Sommer 2023 fast alle Fahrzeugtypen und, im Gegensatz zu zuvor, nicht nur Luxusautos umfasst, zu einem praktisch sofortigen und vollständigen Verschwinden des Re-Exports von Autos aus Georgien nach Russland.[4] Dies bedeutet, dass Sanktionen offenbar schnell eingehalten werden.

Dass festgestellte Zunahmen von georgischen Exporten nach Russland alleine nicht als Indikationen für Sanktionsumgehung gesehen werden können, wurde auch von grossen Geschäftsvereinigungen in Georgien erwähnt, die erklärten, dass georgische Exporte generell, sprich auch in andere Länder und nicht nur nach Russland, zugenommen haben. «Dies ist zum Teil auch das Resultat von Export-Stimulationsprogrammen, die die georgische Regierung vor ungefähr fünf Jahren lanciert hat und die erst kürzlich merkbare Ergebnisse erzielten,» fügte Levan Vephkhvadze, der Direktor der Business Association of Georgia (BAG) an. «Dementsprechend ist es im Allgemeinen schwer zu sagen, zu welchem Grade kürzlich erfolgte begrenzte Zunahmen von georgischen Exporten nach Russland durch die seit Russlands Invasion der Ukraine veränderte Situation oder durch genannte Stimulationsprogramme verursacht worden ist,» erklärte er weiter.

Ein anderer Faktor, der wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle spielt, steht im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, ist jedoch weniger finster als Sanktionsumgehung. «Früher [sprich vor der Grossinvasion der Ukraine] gab es substantielle Exporte von Georgien in die Ukraine, die wegen des Krieges zusammengebrochen sind,» sagte ein Vertreter einer anderen georgischen Geschäftsvereinigung gegenüber SIGA. «Davon betroffene Exporteure mussten sich daher nach neuen Kunden für ihre nicht unter Sanktionen fallende Produkte umsehen und fanden solche wohl auch in Russland, und nicht weil sie Sanktionen umgehen,» fügte er hinzu.

georgische Importe aus Russland

Im Gegensatz zu Exporten haben georgische Importe aus Russland in der Folge von Russlands Grossinvasion der Ukraine in der Tat einen beachtlichen Sprung nach oben gemacht (+79.4% in 2022 im Vergleich zu 2021). Danach stagnierten solche Importe jedoch nicht nur, sondern sind sogar wieder leicht zurückgegangen (-4.9% in 2023 im Vergleich zu 2022 und -6.5% im ersten Quartal von 2024 im Vergleich zum gleichen Zeitraum in 2023).

Einer der Haupttreiber dieser erhöhten georgischen Importe aus Russland, der manchmal zu Fragen führte, war, dass Georgien viel mehr Öl- und Treibstoffprodukte aus Russland kauft als zuvor. Obwohl selten, wurde auch dies manchmal als Sanktionsumgehung bezeichnet, wobei behauptet wurde, dass Georgien russisches Öl und Treibstoffe in Länder re-exportiert, die den Einkauf solcher russischen Produkte verbieten. Die bereits erwähnte Studie kam jedoch zum Schluss, dass Georgien zusätzlich importiertes russisches Öl und Treibstoff, welche aufgrund Sanktionen gegen Russland erheblich günstiger geworden waren, fast ausschliesslich für den eigenen Gebrauch verwendete und damit zuvor aus anderen Ländern bezogenen Treibstoff ersetzte. Da neuste verfügbare Handelsdaten zeigen, dass der georgische Import von Öl und Treibstoffprodukte aus Russland in 2022 einen Höhepunkt erreicht hatte und seitdem wieder gesunken ist [5], gibt es keine Anzeichen, dass die genannte Schlussfolgerung der Studie sich geändert hat.

In diesem Zusammenhang ist erneut zu bemerken, dass die georgische Regierung davon abgesehen hat, bilaterale Sanktionen gegen Russland zu verhängen, was bedeutet, dass der Umstand, dass Georgien von billigerem Öl profitiert, allenfalls politisch, jedoch nicht rechtlich in Frage gestellt werden kann.

Mit der Ansicht konfrontiert, dass man Georgien vorwerfen könnte, dass es von billigem russischem Öl und somit indirekt von Sanktionen gegen Russland profitiert, erklärte Prof. Dr. Nikoloz Samkharadze, der Vorsitzende des Komitees für auswärtige Beziehungen des georgischen Parlaments, gegenüber SIGA, dass Georgien entschieden hätte, die Gelegenheit des Kaufes von billigerem russischen Öl zu nutzen, da alles andere zu unhaltbar schmerzhaften Preiserhöhungen für die georgische Bevölkerung geführt hätte. «Wir haben dies auch unseren westlichen Partnern aufgezeigt, die uns antworteten, dass sie unsere Position verstehen, zumal wir auch geographisch nicht viele andere Bezugsquellen haben,» versicherte er weiter.

SChwierige russisch-georgische Beziehungen

Samkharadze unterstrich ebenfalls, dass der erhöhte Handel mit Russland rein pragmatisch sei und die politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht vorantreibe. Georgien und Russland haben seit einem 5-Tage Krieg, der im August 2008 zwischen Georgien auf der einen und Russland sowie Abchasien und Süd-Ossetien, zwei Regionen, die sich faktisch von Georgien abgespaltet haben, auf der anderen Seite geführt wurde und für dessen Ausbruch beide Seiten, die jeweils andere verantwortlich machen, keine offiziellen diplomatischen Beziehungen. «Unser Standpunkt ist klar: wir können keine normalen Beziehungen mit Russland haben bis Russland die territoriale Integrität von Georgien [welche, gemäss Georgien und der Grossmehrheit der internationalen Gemeinschaft, Abchasien und Süd-Ossetien umfasst, die als von Russland besetzt angesehen und nur von Russland und einer Handvoll Staaten als unabhängige Länder anerkannt werden] respektiert,» erklärte Samkharadze.

Danach gefragt was für Auswirkungen dieses Fehlen von diplomatischen Beziehungen auf Handel habe, beschrieb die russische Interessenvertretung in Georgien das Fehlen von diplomatischen Beziehungen als «ein künstliches Hindernis für die Entwicklung von Handel und Wirtschaftsbeziehungen zwischen [Russland und Georgien] im Allgemeinen und grenzüberschreitenden Handel im Besonderen.» Die russische Interessenvertretung führte weiter aus, dass «Unternehmer in Russland und Georgien mit zahlreichen zusätzlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, die einfach gelöst werden könnten, wenn bilaterale Kommunikationskanäle verfügbar wären,» wobei sie anfügte, dass «die grösste Barriere für Gewerbe der hohe Grad an Politisierung von jeglichen russisch-georgischen Geschäftsbeziehungen sei, obwohl diese den Wirtschaften beider Länder offensichtlich und unstrittig vorteilhaft wären.» (Die russische Interessenvertretung in Tbilisi vertritt die Interessen der russischen Föderation in Georgien, da der genannte Krieg im August 2008 zur Schliessung der russischen Botschaft in Georgien führte. Aufgrund Fehlen von diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Georgien wird die russische Interessenvertretung formell von der Schweizer Botschaft in Georgien beherbergt; die Interessenvertretung arbeitet jedoch gesondert von der Schweizer Botschaft.)

Trotz dieser Schwierigkeiten drückte die russische Interessenvertretung Gewissheit aus, dass solche Probleme gelöst werden würden, und beschrieb Russland und Georgien als «natürliche Partner». Die russische Interessenvertretung begründete Letzteres mit der gemeinsamen Grenze der Länder sowie dem Umstand, dass eine jahrhundertelange Geschichte von Handelsbeziehungen bestehe und die Länder komplementäre Güter produzieren würden. Sie betonte im Allgemeinen auch die «Wichtigkeit von gegenseitig vorteilhafter und effektiver Kooperation zwischen [Russland und Georgien] im Bereich von Handel und Wirtschaft», die nicht von «politischer Rhetorik oder Färbung» beeinflusst werden sollte.

Angesichts des Fehlens von diplomatischen Beziehungen gab die russische Interessenvertretung weiter an, dass derzeit der russisch-georgische Gewerberat, ein Rat, der offiziell Teil der russischen Handels- und Industriekammer ist und im Februar 2023 gegründet wurde, bei der Lösung gewisser Geschäftsprobleme zwischen den beiden Ländern als Mediator fungieren könnte. Die russische Interessenvertretung räumte diesbezüglich jedoch ein, dass dies erfordern würde, dass dieser Rat relevante Geschäftspartner in Georgien haben müsste, was zur Zeit der Erstellung dieses Berichtes nicht der Fall war. Letzteres wurde von georgischen Geschäftsvereinigungen und anderen gut unterrichteten Quellen in Georgien bestätigt, die keinerlei Informationen über diesen Rat hatten.

Dass sich dies ändern wird und der russisch-georgische Gewerberat in voraussehbarer Zukunft in der Lage sein wird, mit relevanten Geschäftspartnern in Georgien zu kooperieren ist höchst unwahrscheinlich. Schon bevor die erneuten Vorlage und schliessliche Annahme eines Gesetzes über «Transparenz von ausländischen Einflüssen» im April und Mai 2024 zu Massenprotesten in Georgien führte, die sich gegen eine nach Ansicht der georgischen Opposition bestehende russische Subversion in Georgien richteten, beschrieben mehrere gut unterrichtete Quellen die politische Lage in Georgien als zu angespannt, als dass der genannte Rat in Georgien Partner finden könnte. Zahlreiche Versuche von SIGA, Kommentare vom Rat selber einzuholen blieben ergebnislos.

Angesichts all dessen basieren derzeitige Handelsbeziehungen auf individuellen Kontakten und Bemühungen zwischen Geschäftsleuten in beiden Ländern, die relativ unauffällig bleiben.

Transithandel durch Georgien

Ein anderer Vorwurf ist, dass, selbst wenn bilateraler Handel zwischen Georgien und Russland nicht genutzt wird, um Sanktionen zu umgehen, Einzelpersonen und Geschäfte aus anderen Ländern sanktionierte Güter via Georgien nach Russland senden. Dies gesagt gründen jedoch auch solche Behauptungen offenbar nur auf zweifelhaften Annahmen.

Während die Versendung von Gütern aus Drittstaaten nach Russland durch Georgien in der Tat bedeutend zugenommen hat (um ungefähr 50% in 2022 wenn verglichen mit 2021 und um fast 20% in 2023 wenn verglichen mit 2022 [6]), haben diverse georgische Quellen SIGA bestätigt, dass georgische Zollbeamte alle Transitgüter eingehend kontrollieren, um sicherzustellen, dass solcher Handel nicht zur Sanktionsumgehung missbraucht wird.

Dies wurde nicht nur von Regierungsbeamten und Daten unterstrichen, sondern auch von Aussagen von Vertretern von GIRCA, Georgiens Vereinigung von internationalen Strassentransporteuren, und anderen Geschäftsvereinigungen. All diese Quellen zitierten Fälle, in denen georgische Zollbeamte den Transit von Gütern durch Georgien verweigert und solche Güter zum Absender retourniert hatten, als Indizien für ernsthafte Kontrollen.[7]

Die Annahme, dass solche Fälle von retournierten Gütern bedeuten könnte, dass eine grosse Dunkelziffer besteht und sanktionierte Güter durch Kontrollen geschmuggelt werden, ist, basierend auf verfügbaren Informationen, unwahrscheinlich. GIRCA gab an, dass in Fällen, in denen von Mitgliedern transportierte Güter der Transit verweigert wurde und diese die Vereinigung um Unterstützung baten, dies jeweils auf harmlose Gründe wie Überladung oder kleinere Fehler in der Dokumentation zurückzuführen war. Vepkhvadze von BAG erwähnte ein ähnliches Beispiel, in dem harmlose elektronische Teile vom georgischen Zoll an der Grenze aufgehalten und erst nach der Intervention von Vertretern von westlichen Firmen freigegeben wurden, die den legalen Bestimmungszweck solcher Teile bewiesen und garantierten. All dies weist darauf hin, dass georgische Zollkontrollen in der Tat gründlich und, wenn irgendetwas, dann übereifrig sind.

Dies bedeutet nicht, dass die Umgehung von Sanktionen durch Transit vollständig ausgeschlossen werden kann. Dies ist umso mehr der Fall, wenn Georgien nur ein Stopp in einer längeren Kette ist, sprich wenn Güter durch Georgien in einen Drittstaat transportiert werden und dann von dort direkt oder indirekt ihren Weg nach Russland finden. Dass solche Transporte in der Tat passieren, wurde SIGA von einer Quelle bestätigt, die um Anonymität ersuchte, und beschrieb, dass Luxusautos nach wie vor über solche Routen mit mehreren Stopps, die manchmal Georgien beinhalten, nach Russland befördert werden. Andere potentielle Beispiele wurden sodann in einem kürzlich publizierten Bericht des georgischen Investigative Journalists’ Team iFact genannt.[8]

Da selbst der effizienteste Staat potentielle Sanktionsumgehung oder Schmuggel im Allgemeinen nicht komplett verhindern kann, ist dies von Georgien oder jedem anderen Staat zu erwarten illusorisch. Dementsprechend erscheinen georgische Bemühungen, Sanktionsumgehung zu verhindern, gemäss allen Darstellungen, inklusive von westlichen Sanktionskoordinatoren, aufrichtig und effizient und allfällig bestehender Schmuggel ist höchstenfalls begrenzt und, im grösseren Zusammenhang, unbedeutend. Dies gilt umso mehr, als dass andere Länder weniger strikte Mechanismen zur Verhinderung von Sanktionsumgehungen haben und sanktionierte Güter tendenziell den Weg des geringsten Widerstandes nehmen. Angesichts all des Gesagten ist der oft zitierte erhöhte Handel zwischen Georgien und Russland sowie zugenommener Transit von Gütern durch Georgien nach Russland daher mit hoher Gewissheit auf harmlose Änderungen in Handelsströmen zurückzuführen.

Franz J. Marty


[1] Die in diesem Artikel genannten Zahlen basieren auf diversen öffentlich verfügbaren Daten, namentlich vom National Statistics Office of Georgia (https://ex-trade.geostat.ge/enund dem georgischen Finanzministerium (https://www.mof.ge/export_importis_informacia) publizierten Import-Export-Daten sowie Daten zu Transitgütern des Georgian Revenue Service (https://www.rs.ge/statistics). Die im Text zitierten Zahlen sind regelmässig nicht direkt aus den veröffentlichen Daten ersichtlich, sondern basieren auf von diesem Autor vorgenommenen Berechnungen und Vergleichen.

[2] Von den Top-5 Kategorien von exportierten Gütern im Jahre 2023, welche zusammen ungefähr 92% aller georgischen Exporte nach Russland ausmachten, betrafen drei Nahrungsmittel und Getränke (HS Code 22, 08, und 20) wobei fast 82% aller Exporte auf diese drei Kategorien fielen. In den ersten fünf Monaten von 2024 waren von den Top-5 Kategorien, die zusammen fast 94% aller georgischen Exporte nach Russland ausmachten, vier Nahrungsmittel und Getränke (HS Code 22, 20, 08, 09), wobei ungefähr 92% aller Exporte auf diese vier Kategorien fielen.

[3] Die zitierte Studie zeigt, dass Georgien in den 12 Monaten direkt vor Russlands Grossinvasion der Ukraine Ferrolegierungen im Wert von 183.62 Millionen U.S.$ nach Russland exportierte, was in den 12 Monaten direkt nach der Invasion um fast 34% auf 121.3 Millionen U.S.$ fiel. Gemäss einer Überprüfung von Handelsdaten durch SIGA hält diese Abnahme weiter an. Namentlich exportierte Georgien in den 12 Monaten von 2023 nur Ferrolegierungen im Wert von 47.64 Millionen U.S.$. Zahlen aus den ersten fünf Monaten von 2024, in denen Georgien Ferrolegierungen im Wert von nur ungefähr 4.5. Millionen U.S.$ nach Russland exportierte, deuten sodann darauf hin, dass dieser drastische Einbruch anhält.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die verbleibende Güterkategorie unter den Top-5 Güterkategorien, die Georgien im Jahre 2023 nach Russland exportierte, elektrische Maschinen und deren Teile (HS Code 85) betraf, wobei westliche Länder verbieten, dass gewisse Subkategorien dieser Gruppe nach Russland exportiert werden. Die Grossmehrheit der von Georgien in dieser Kategorie nach Russland exportierten Güter (ungefähr 10 Millionen U.S.$ von 12 Millionen U.S.$ im Jahre 2023) waren verschiedene Typen von Wassererhitzern (HS Code 8516), wobei Zahlen aus den ersten vier Monaten von 2024 darauf hindeuten, dass auch diese Exporte zusammengebrochen sind. (In den ersten vier Monaten von 2024 hat Georgien nur HS Code 8516 Güter im Wert von 3071800 U.S.$ nach Russland exportiert, was deutlich weniger ist als die 6367970 U.S.$ im gleichen Zeitraum im Jahre 2023.) Dementsprechend und da es keine Anzeichen gibt, dass dieser Export von Wassererhitzern verdächtig ist, erscheint dies irrelevant.

[4] Der Wieder-Export von Autos (HS Code 8703) aus Georgien nach Russland fiel von 21608600 U.S.$ beziehungsweise 30904950 U.S.$ im ersten und zweiten Quartal von 2023 auf 14433240 U.S.$ und 186430 U.S.$ im dritten und vierten Quartal von 2023 und gar nur 9’750 U.S.$ im ersten Quartal von 2024.

[5] Im Jahre 2022 importierte Georgien Öl- und Treibstoffprodukte aus Russland im Wert von 839436020 U.S.$, was ungefähr drei Mal mehr war als im Jahre 2021 (269840010 U.S.$). Seither fiel dies jedoch auf 775810780 U.S.$ in 2023 (-7.6%) und 244958440 U.S.$ im ersten Quartal von 2024 (-9.6% im Vergleich zu 270929880 U.S.$ im gleichen Zeitraum in 2023).

[6] Im Gegensatz zu anderen in diesem Bericht zitierten Handelszahlen verweist die Zunahme von Transitgütern durch Georgien nach Russland auf eine Zunahme im Gewicht — nicht Wert — dieser Güter, da die verfügbaren Statistiken des Georgian Revenue Service nur das Gewicht jedoch nicht den Wert solcher Güter angeben.

[7] Am 26. Januar 2024 erklärte der georgische Finanzminister beispielsweise, dass der georgische Zoll seit der Verhängung von breiteren Sanktionen gegen Russland in der Folge der Grossinvasion der Ukraine im Februar 2022 in 1’770 Fällen den Transit von Gütern durch Georgien nach Russland verweigert hätte. Andere Quellen gaben in Interviews mit SIGA ebenfalls spezifische Beispiele an.

[8] Während der erwähnte Bericht grossangelegte Sanktionsumgehung durch Georgien impliziert, zeigt ein genauerer Blick auf die darin zitierten Zahlen, dass der Wert von sanktionierten Gütern, die so angeblich indirekt ihren Weg nach Russland finden sollen, verhältnismässig bescheiden ist (einige Zehntausende / Hunderttausende U.S.$ in einem Jahr). Dies gesagt scheint der Bericht auch spekulativ anzunehmen, dass aller erhöhter Export von dual-use Gütern in gewisse Drittstaaten Sanktionsumgehung bedeuten muss, was zumindest teilweise fraglich oder potentiell anderweitig erklärbar ist. Der Vollständigkeit halber sollte ebenfalls erwähnt werden, dass im Bericht genannte Fälle von angeblichen direkten Transporten von sanktionierten Gütern aus Georgien nach Russland offenbar hypothetisch sind beziehungsweise auf der Zusicherung von Spediteuren basieren, solche Transporte für relative bescheidene Mengen veranlassen zu können. Dementsprechend wirft der Bericht zwar gewisse berechtigte Fragen auf, scheint die Bedeutung der darin dokumentierten Fälle, die nicht so schlüssig sind, wie sie zu sein scheinen, jedoch zu übertreiben.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0