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Blockchain-Technologie


Der Blogbeitrag «Digitalhypes entschlüsseln» führte bereits kurz in die Welt der Blockchain-Technologie und Anwendung ein. Die Mechanismen und Funktionsweisen von Blockchains sind hochkomplex und in vielen Bereichen bisher einzigartig, sodass ein ausführlicherer Erklärungsbedarf besteht. 

Der vorangegangene Artikel beschäftigte sich bereits mit den Grundlagen einer Blockchain, dem Zusammenspiel von Dezentralität und Code, die Kompromittierungen und Manipulation verhindern sollen. Dezentral bedeutet dabei, dass alle Informationen über Inter-/Aktionen auf einer Blockchain gleichzeitig auf zahlreichen lokalen Speichermedien existieren, sogenannten Nodes, sodass bei der Veränderung eines Datensatzes alle anderen Exemplare nachweisen können, dass etwas manipuliert/verändert wurde. Jeder Nutzer eines Netzwerks kann theoretisch einen Node betreiben und damit die Informationen über alle Aktionen auf einer Blockchain als Kopie «besitzen». Die Informationen werden verschlüsselt in einem Block niedergeschrieben. Der Block wird dann additiv an den letzten Block angehangen, sodass eine chronologisch angeordnet Kette entsteht über alle je getätigten Aktionen. 

Jeder Block beinhaltet ebenfalls eine komprimierte Version des Datensatzes des vorangegangen Blocks, sodass die nachträgliche Veränderung einer Information nicht möglich ist. Die Dezentralität verhindert also, dass einzelne Akteure Macht über auszuführende Aktionen ausüben können und ermöglichen einen gewissen Grad der Unabhängigkeit. 

Transaktionen (oder andere Aktionen auf einer Blockchain) müssen validiert und dann gesammelt in einen Block geschrieben werden. Dafür gibt es bei jeder Blockchain einen Konsensmechanismus, durch den entschieden wird, wer den Block schreiben darf. Es existieren verschiedene Konzepte. Etabliert haben sich die Konsensmechanismen Proof of work und Proof of stake. Bei Proof of work (bei Bitcoin auch mining genannt) werden Transaktionen validiert und ein Block jeweils von einem virtuellen Miner geschürft. Der Miner, der am schnellsten ein mathematisches Puzzle (vgl. Hashfunktion) lösen kann, bekommt das Privileg den Block zu schreiben und wird dafür mit einer Summe x der jeweiligen Kryptowährung (Bspl. bitcoin) entlohnt. Die Grundidee von Proof of work erlaubt es jeder Person beispielsweise bitcoins zu schürfen. Inzwischen hat sich das Verfahren allerdings zu einem «Wettrüsten aus Rechenleistung und Elektrizität entwickelt»[1], da das jeweils zu lösende Puzzle immer schwieriger wird und somit aktuell eine enorme Rechenleistung mit hoher Geschwindigkeit benötigt wird, um im Wettbewerb mithalten zu können. Daher ist mining sehr energieintensiv und kann nur noch mit spezieller Hardware von wenigen Personen lukrativ betrieben werden.

Proof of stake wurde als Alternative entwickelt, ist nicht energieintensiv und somit nachhaltiger.  Hierbei ist das Privileg des Schreibens eines Blocks an die Anteile des Netzwerkteilnehmers an der Kryptowährung (Stake) der jeweiligen Blockchain gekoppelt. Bei den Blockchains die Proof of stake nutzen (bspw. Ethereum, Cardano), wird mithilfe des Zufalls entschieden, wer den Block schreiben darf. Es können prinzipiell alle Teilnehmer des Netzwerks an dieser Auslosung teilnehmen, es benötigt keine spezielle Hardware, wie bei Proof of work. Dennoch gilt für die Auslosung: Je grösser der Anteil an der Kryptowährung, desto höher die Chance ausgelost zu werden. Der ausgeloste Validator bekommt für das Schreiben eines Blocks keine feste Belohnung, bei einigen Blockchains erhält er allerdings die Transaktionskosten, die die Teilnehmer (deren Transaktionen in dem Block enthalten sind) für die Ausführung bezahlt haben. Der Anreiz ist hier nicht die Belohnung in einer Kryptowährung (sie fällt eher gering aus), sondern vielmehr, dass die Sicherheit der Blockchain garantiert ist und die Kryptowährung nicht an Wert verliert. Ist die Sicherheit nicht gewährleistet und verliert daher die Währung an Wert, verlieren ebenfalls die eigenen Anteile an Wert. Sie fungieren also als eine Art Pfand, den jeder Validator hinterlegt und der bei der Validierung einer unrechtmässigen Transaktion an Wert verliert oder sogar gänzlich verloren geht. 

Zu Beginn wurde bereits erwähnt, dass die Dezentralisierung eine wichtige Komponente der Blockchain-Technologie darstellt. Die Konsensmechanismen zur Bestimmung, wer einen Block schreiben darf, fördern die Dezentralität, da es auch hier keine Instanz mit Entscheidungsgewalt gibt. Limitiert ist dies allerdings durch die jeweiligen Voraussetzungen, wie Hardware (Proof of work) oder Anteile der Kryptowährung (Proof of stake). 

Es gibt ausserdem, ebenfalls zusammenhängend mit der Dezentralität, keine zwischengeschaltete Instanz, der der Nutzer vertrauen muss, dass alle Informationen oder Aktivitäten korrekt ausgeführt werden. Da es bei etablierten Blockchains wie Ethereum oder Bitcoin bereits tausende von Nodes gibt und Aktionen mithilfe von Algorithmen automatisch ausgeführt werden, gibt es faktisch keinen Einzelakteur, der die Funktionsweisen der Blockchain kontrolliert und betreibt.  Das Charakteristika, dass es keine Instanz gibt, der man vertrauen muss, nennt man konzeptionell trustlessness. Zum besseren Verständnis der beschriebenen Grundlagen soll hier an einem Beispiel erklärt werden: 

Möchte Person A Person B einen Betrag X auf Bs Bankkonto überweisen, muss A dies über seine Bank abwickeln. Er gibt seiner Bank den Auftrag Betrag X auf das Konto von B zu transferieren. Die Bank von A ist hier also die Zwischeninstanz, der A und B vertrauen müssen, dass die Transaktion überhaupt und korrekt ausführt wird. Weigert sich die Bank von A, geht sie bankrott oder macht sie etwas anderes hat A wenig Chancen, dass der Betrag X an B übermittelt wird. Ohne eine Bank kann A dieses Geschäft allerdings ebenfalls nicht abwickeln (ausser er gibt Betrag X in Bar an B). Mithilfe einer Blockchain kann diese Transaktion ganz ohne Vermittler getätigt werden.

Dass ein zwangsläufiges Vertrauen in einen leitenden Akteur und die Existenz von Zwischeninstanzen grosse Abhängigkeiten schaffen kann, lässt sich am Beispiel Argentiniens gut sichtbar machen.
Argentinien leidet seit Langem an einer stetig ansteigenden Inflation. Seit Anfang 2022 hat sich die Situation allerdings erneut enorm verschlechtert. Der argentinische Pesos verliert Zunehmens an Wert, die Inflation erreicht horrende Ausmasse. Um ihre Verluste so gering wie möglich zu halten, tauschen viele Argentinier:innen ihr Geld in US-Dollar um, wodurch die Entwertung des Pesos verstärkt wird. Um einer Hyperinflation und Finanzkrise zu entgehen, führte die argentinische Regierung unzählige Kontrollmechanismen ein, die unter anderem auch den Währungsumtausch betreffen. Aktuell darf jede/r Argentinier:in pro Monat Pesos im Wert von maximal 200 USD bei einer Bank wechseln und muss zudem noch zweifach Steuern zahlen, die fast 75% des Umtauschwertes betragen.[2]

Hinzukommend ist der Wechselkurs unterbewertet, sodass ein Tausch gut überlegt sein muss. Da viele Argentinier:innen grosse Sorgen um ihre Ersparnisse haben, Dollar von Verwandten aus z.B. den USA geschickt bekommen und einige Leistungen nur in Dollar zu erwerben sind, boomt das Tauschgeschäft stattdessen auf dem Schwarzmarkt. Auf dem legalen Weg sind die Argentinier:innen von ihren Banken bzw. in letzter Konsequenz der Regierung als Intermediär abhängig, wollen sie ihr Geld abheben, transferieren oder tauschen. Aufgrund der gesetzlichen Schranken sind die Bürger:innen Argentiniens enorm limitiert und können nicht frei über ihr Geld verfügen.

Die Zentralität, das (erzwungene) Vertrauen in und die Angewiesenheit auf eine zwischengeschaltete Instanz werden vor allem in Ländern und Gesellschaften zum Problem, wo die Regierung/der Staat und das Bankensystem wenig Stabilität und Vertrauen vorweisen. Dieses könnte durch die Dezentralität und trustlessness von Blockchains gelöst werden. Mithilfe einer Blockchain, wie zum Beispiel Ethereum oder Bitcoin, können bspw. Argentinier:innen weiterhin uneingeschränkt auf ihr Vermögen zugreifen. Einige wenige Unternehmen vergüten ihre Angestellten sogar in Kryptowährungen. Bisher können allerdings nur sehr wenige Produkte und Dienstleistungen mit Kryptowährungen bezahlt und erworben werden. Breitet sich das Angebot jedoch aus, würde sich der Einfluss von Banken und Regierungen stark verändern, da sie nicht in das dezentrale Netzwerk eingreifen, es manipulieren oder beschränken könnten. Es bleibt natürlich abzuwarten, inwiefern noch ausstehende gesetzliche Regulierungen dieses Potential einzuschränken vermögen. 

Es ist im Zusammenhang mit der Dezentralität und trustlessness wichtig zu betonen, dass nicht jede Blockchain gleich starke Ausprägungen dieser Charakteristika vorweisen kann. Da die beiden Merkmale nur ausgeprägt sein können, wenn es beispielsweise eine sehr grosse Zahl an Personen gibt, die einen Node betreiben und validieren, bzw. minen, sind die genannten Charakteristika keine zwingenden Merkmale von Blockchains im Allgemeinen. Die Blockchain-Technologie selbst bringt das Potential mit, einen hohen Grad an Dezentralität zu erreichen. Dieses Potential muss allerdings auch genutzt werden bzw. es muss eine Community dahinterstehen, der diese Werte wichtig sind. So gibt es beispielsweise generell keinen monetären Anreiz, einen Node zu betreiben. Bei der Blockchain Ethereum gibt es ca. 450.000 Personen weltweit, die einen eigenen Node betreiben und als Validator fungieren. Abgesehen davon, dass die meisten dieser Personen selbst z.B. Transaktionen auf Ethereum durchführen und daher daran interessiert sind, das genutzte Netzwerk selbst mit abzusichern, werden viele Personen Validator, weil sie an einen Mehrwert von Dezentralität und trustlessness glauben.[3] Die Ethereum-Community, also die Personen die dabei helfen das Netzwerk zu sichern, aber auch Anwendungen für die Blockchain programmieren, die Blockchain selbst weiterentwickeln oder Anwendungen auf Ethereum nutzen, haben zu einem grossen Teil gemeinsam, dass sie die genannten Charakteristika schätzen und in der dadurch zu gewinnenden Unabhängigkeit von Staaten, Banken und Intermediären eine innovative und revolutionäre Entwicklung sehen, die noch nicht ihr volles Potential entwickelt hat, aber die zukunftsweisend sein wird. Natürlich gibt es ebenfalls Personen, die Ethereum lediglich nutzen, um ein Business aufzubauen und Geld zu verdienen.

Festzuhalten ist, dass eine Blockchain eine Community benötigt, um zu laufen. Verfolgt die Community die «falschen» Werte, kann sie durchaus stark zentralisiert sein (Beispiel: Solana).  

Aus den sehr vereinfacht beschriebenen Grundsätzen der Dezentralität und trustlessness resultieren viele Vorteile: Sie schaffen sowohl Sicherheit von Informationen, Daten und Aktivitäten, Transparenz und Authentizität, als auch eine gesteigerte Privatsphäre (Krypto-wallets, also die digitale Geldbörse, können sehr anonym angelegt werden) und Zugänglichkeit. Viele Personen auf der Welt haben keinen Zugang zum Bankensystem, weil sie z.B. keinen Ausweis besitzen, einen Zugang zum Internet dagegen hat ein enorm grosser Teil der Weltbevölkerung. Aus den genannten Punkten könnte sich ein revolutionärer Fortschritt für viele Unternehmensbereiche und Branchen ergeben. Ausserdem hat ein Netzwerk mit besagten Eigenschaften das Potential öffentliches Vertrauen wiederherzustellen und verlässliche Informationsverbreitung und Transferaktionen, sowie selbstwirkende Verträge zu ermöglichen und z.B. Logistikoperationen zu vereinfachen. Im Zeichen des andauernden Informationskriegs, sichtbar beispielsweise an Wahlmanipulationen in den USA, Datenschutzskandalen der grossen Social Media Plattformen oder an manipulierten Berichterstattungen rund um den Ukrainekrieg, könnte eine solche Innovation zukunftsweisend sein.

Nichtsdestotrotz gibt es auch Nachteile, die besonders stark auftreten, sobald die Community einer Blockchain die Werte Dezentralität und trustlessness weniger stark umsetzt. Auch können Anonymität und fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen dazu führen, dass Kryptowährungen auf dem Schwarzmarkt genutzt werden, um illegale Geschäfte abzuwickeln. Kryptowährungen können des Weiteren sehr volatil sein und werden häufig bezichtigt, keinen echten Wert generieren zu können[4], da sie nicht den gleichen Grundsätzen folgen, wie klassische Währungen, die sich über Jahrhunderte etabliert haben. Die Innovation Blockchain ist keine heilige Alternative oder Technologie, die gesellschaftliche Probleme und Ungerechtigkeiten by default zu lösen vermag. Das dahinterstehende Potential und die grosse Menge an neuen Möglichkeiten, die keineswegs nur in der Finanzbranche liegen, müssen gezielt und gekonnt genutzt werden und benötigen sowohl Zeit, als auch Engagement. Wenn sie allerdings umgesetzt werden, können die daraus resultierenden Entwicklungen disruptiven Ausmasses sein.

(für mehr Informationen zum Potential von Blockchain-Technologie). 

Sophie Voß


[1] vgl. https://bitcoin-2go.de/was-ist-proof-of-stake/

[2] vgl. https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-10-12/from-coldplay-shows-to-world-cup-argentina-mixes-exchange-rates#xj4y7vzkg

[3] vgl. https://ethereum.org/en/developers/docs/nodes-and-clients/ 

[4] vgl. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/christine-lagarde-haelt-kryptowaehrungen-fuer-wertlos-18052091.html


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